Wird eine Liegenschaft beziehungsweise ein Liegenschaftsteil vorübergehend nicht genutzt (z.B. wegen Unvermietbarkeit), liegt für die mehrwertsteuerliche Beurteilung ein Leerstand vor. Für die Belange der MWST gibt es keine zeitliche Begrenzung des Leerstandes. Während der Zeit des Leerstandes anfallende Aufwendungen wie Investitionen (wertvermehrende Aufwendungen oder Grossrenovationen), Unterhalts- (werterhaltende Aufwendungen) und Betriebskosten (Betriebsstoffe und andere Aufwendungen ohne Anlagekostencharakter) sind grundsätzlich gleich zu behandeln wie bei der vorgängigen Vermietung:
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Im Rahmen von Artikel 28 MWSTG besteht hierfür Anspruch auf Vorsteuerabzug, sofern die Liegenschaft beziehungsweise der betreffende Liegenschaftsteil vor dem Leerstand für steuerbare unternehmerische Tätigkeiten (z.B. Vermietung mit Option) verwendet wurde. Werden jedoch im Hinblick auf eine konkret bevorstehende Nutzungsänderung (für das folgende Mietverhältnis wird nicht mehr optiert) Aufwendungen getätigt, berechtigen diese im Zeitpunkt der geänderten Verwendungsabsicht nicht zum Vorsteuerabzug. Die geänderte Verwendungsabsicht ist mittels „externer“ Dokumente (z.B. Baueingabe, Baubewilligung oder Gemeindebeschluss) zu belegen. Dies betrifft sämtliche Aufwendungen wie Investitionen, Unterhalts- und Betriebskosten. Hat die steuerpflichtige Person dennoch (ab Zeitpunkt der geänderten Verwendungsabsicht) einen Vorsteuerabzug geltend gemacht, muss sie diesen vollumfänglich mit einer Korrekturabrechnung berichtigen. In diesem Fall ist neben der zu bezahlenden Steuer (Rückzahlung der damals geltend gemachten Vorsteuern) auch ein Verzugszins geschuldet.
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Kein Anrecht auf Vorsteuerabzug besteht, sofern die Liegenschaft beziehungsweise der betreffende Liegenschaftsteil vor dem Leerstand für eine nicht steuerbare unternehmerische Tätigkeit (z.B. Vermietung ohne Option) verwendet wurde. Werden hingegen im Hinblick auf eine konkret bevorstehende Nutzungsänderung (für das folgende Mietverhältnis wird optiert) Aufwendungen getätigt, berechtigen diese zum Vorsteuerabzug. Die geänderte Verwendungsabsicht ist mittels „externer“ Dokumente (z.B. Baueingabe, Baubewilligung oder Gemeindebeschluss) zu belegen. Dies betrifft sämtliche Aufwendungen wie Investitionen, Unterhalts- und Betriebskosten. Optiert die steuerpflichtige Person in der Folge entgegen ihrer ursprünglichen Absicht nicht für die Vermietung, muss sie die zu viel geltend gemachten Vorsteuern für die betreffenden Steuerperioden vollumfänglich (ohne Abschreibung) korrigieren. Auf den zu viel geltend gemachten Vorsteuern ist jedoch kein Verzugszins geschuldet.
Falls sich die Nutzung nach dem Leerstand ändert (Zu- oder Abnahme des Verhältnisses der steuerbaren bzw. der von der Steuer ausgenommenen Tätigkeiten), kann dies zu einer Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch gem. Art. 31 MWSTG oder Einlageentsteuerung gem. Art. 32 MWSTG) führen. Als Zeitpunkt für die Nutzungsänderung gilt in diesem Fall der Beginn eines neuen Mietverhältnisses. Die Abschreibungen sind für wertvermehrende Aufwendungen, die vor dem Leerstand angefallen sind, bis zum Zeitpunkt der Nutzungsänderung zu berücksichtigen. Während dem Leerstand getätigte wertvermehrende Aufwendungen gelten als nicht in Gebrauch genommen und es sind keine Abschreibungen vorzunehmen. Keine Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch bzw. Einlageentsteuerung) erfolgt bei werterhaltenden Aufwendungen, Betriebsstoffen und anderen Anwendungen ohne Anlagekostencharakter.

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Weitere Ausführungen zum Thema „Steuerlich relevante Aufwendungen bei unbeweglichen Gegenständen“ können der MWST-Info Nutzungsänderungen entnommen werden.
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In den nachfolgenden Beispielen 4 und 5 wird davon ausgegangen, dass die steuerpflichtigen Personen vor der Absichtsänderung beziehungsweise der Baueingabe keine wertvermehrenden Aufwendungen tätigen.
Beispiele 1 und 2
Nicht optiertes Mietverhältnis vor und nach dem Leerstand
Das nicht optierte Mietverhältnis für eine Arztpraxis wurde per 30.6.2016 aufgelöst. Um die Vermietbarkeit zu steigern, hat der Eigentümer während des Leerstandes in dieser Mieteinheit Investitionen getätigt. Per 1.4.2018 konnten die Räumlichkeiten an einen anderen Arzt (ohne Option) vermietet werden.
Auf den während des Leerstandes angefallenen Betriebskosten und den Investitionen können keine Vorsteuern geltend gemacht werden.
Der Mieter einer 4-Zimmer-Wohnung muss nach 25 Jahren aus gesundheitlichen Gründen das Mietverhältnis in einem in der Wohnzone gelegenen älteren Mehrfamilienhaus per 30.9.2017 auflösen. Weil der Vermieter vorerst nur kleinere Ausbesserungsarbeiten vornimmt, findet er keinen Nachmieter. Er entschliesst sich deshalb zu einer umfassenden Renovation. Per 1.5.2018 kann er die Wohnung wieder an eine Familie vermieten. Auf den laufenden Betriebs- und den Unterhaltskosten sowie den Investitionen kann der Vermieter keine Vorsteuern geltend machen.
Beispiel 3
Optiertes Mietverhältnis vor und nach dem Leerstand
Das optierte Mietverhältnis für eine steuerpflichtige Zahnarztpraxis wurde per 30.9.2017 aufgelöst. Um die Vermietbarkeit zu steigern, hat der Eigentümer während des Leerstandes in dieser Mieteinheit Investitionen getätigt. Per 1.5.2018 konnten die Räumlichkeiten als Büroräumlichkeit an einen Treuhänder (mit Option) vermietet werden.
Auf den während des Leerstandes angefallenen Betriebs- und Unterhaltskosten und den Investitionen kann der volle Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.
Beispiel 4
Wohnungsvermietung (nicht optierbar) folgt auf ein optiertes Mietverhältnis (Nutzungsänderung während Leerstand)
Das optierte Mietverhältnis mit einem Rechtsanwalt für Büroräumlichkeiten wurde per 30.9.2017 gekündigt. Weil ein Überangebot an Büroräumen besteht und ein langer Leerstand droht, beschliesst der Vermieter im Januar 2018, die Büroräumlichkeiten neu als Wohnung zu vermieten, weil auf diesem Sektor eine grosse Nachfrage besteht. Deshalb reicht er am 1.3.2018 eine Baueingabe ein und nimmt anschliessend entsprechende Investitionen vor. Die Wohnungsvermietung beginnt per 1.7.2018. Aufgrund des im Jahre 2010 vorgenommenen Vorsteuerabzugs auf dem Erwerb der Räumlichkeiten, ist beim Vermieter eine Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch gem. Art. 31 MWSTG) infolge Nutzungsänderung vorzunehmen.
Auf den anfallenden Betriebskosten kann der Vermieter bis zur Baueingabe (für den Umbau als Wohnung, d.h. bis 1.3.2018) die Vorsteuern geltend machen. Danach ist ein Vorsteuerabzug weder auf den Betriebs- und Unterhaltskosten noch auf den Investitionen möglich.
Beträge in CHF
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Vorsteuerkorrektur Eigenverbrauch:
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Geltend gemachte Vorsteuern auf den Anlagekosten
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80'000
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Abschreibungen für die Jahre 2010 (= Jahr der Ingebrauchnahme) bis 2017 (letztes, abgelaufenes Jahr): 8 Jahre à 5 % = 40 %
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- 32'000
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Vorsteuerkorrektur Eigenverbrauch per 1.3.2018
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48'000
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(Zeitpunkt Baueingabe)
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Die Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch) ist unter Ziffer 415 der MWST-Abrechnung zu deklarieren.
Beispiel 5
Optiertes Mietverhältnis folgt auf ein nicht optiertes Mietverhältnis (Nutzungsänderung während Leerstand)
Das nicht optierte Mietverhältnis für eine Schule auf einer Etage in einem Bürohaus wurde per 30.6.2016 aufgelöst. Der Vermieter beschliesst unmittelbar nach der Vertragsauflösung, die Räumlichkeiten in Zukunft als Büros zu vermieten und für die Vermietung zu optieren. Dazu wird am 1.4.2017 ein Baugesuch eingereicht. Nach Vorliegen der Baubewilligung werden diverse Umbauarbeiten an den Räumlichkeiten vorgenommen. Aufgrund der Absicht, die Räumlichkeiten in Zukunft für die Vermietung mit Option zu nutzen, ergibt sich auf den 1.4.2017 eine Nutzungsänderung (Einlageentsteuerung). Die Vorsteuern für die Räumlichkeiten auf dieser Etage (für die bisherige Vermietung ohne Option an die Schule) wurden durch den steuerpflichtigen Vermieter bei der Erstellung des Gebäudes im Jahre 2011 nicht geltend gemacht. Auf den 1.8.2018 konnten die Räumlichkeiten an eine Rechtsanwaltsgemeinschaft mit Option vermietet werden.
Auf den anfallenden Betriebskosten kann der Vermieter bis zum Baugesuch, d.h. bis zum 1.4.2017, keine Vorsteuern geltend machen. Danach ist ein Vorsteuerabzug auf den Betriebs-, Unterhalts- und Umbaukosten möglich.
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Beträge in CHF
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Vorsteuerkorrektur Einlageentsteuerung:
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Nicht geltend gemachte Vorsteuern auf den Anlagekosten
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90'000
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Abschreibungen für die Jahre 2011 (= Jahr der Ingebrauchnahme) bis 2016 (letztes, abgelaufenes Jahr): 6 Jahre à 5 % = 30 %
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- 27'000
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Vorsteuerkorrektur Einlageentsteuerung per 1.4.2017
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63'000
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(Zeitpunkt Eingabe Baugesuch)
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Die Vorsteuerkorrektur in Form einer Einlageentsteuerung ist unter Ziffer 410 der MWST-Abrechnung zu deklarieren. Es sind der MWST-Abrechnung geeignete Aufstellungen über die Berechnung beizulegen.
Beispiel 6
Nicht optiertes Mietverhältnis folgt auf ein optiertes Mietverhältnis (Nutzungsänderung nach Leerstand)
Das optierte Mietverhältnis mit einem Rechtsanwalt für Büroräumlichkeiten wurde per 30.9.2017 gekündigt. Der Vermieter beabsichtigt, diese Büroräumlichkeiten auch in Zukunft gleich zu nutzen. Nach einem längeren Leerstand findet der Vermieter einen Zahnarzt, der bereit ist, die Büroräumlichkeiten als Praxis zu mieten, allerdings möchte er nicht, dass der Vermieter für diese Leistung optiert. In der Folge vermietet der Vermieter die Räumlichkeiten dem Zahnarzt per 1.7.2018 ohne Option. Aufgrund des im Jahre 2010 vorgenommenen Vorsteuerabzugs auf dem Erwerb der Räumlichkeiten, ist beim Vermieter eine Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch gem. Art. 31 MWSTG) per 1.7.2018 infolge Nutzungsänderung vorzunehmen.
Auf den anfallenden Betriebskosten während des Leerstandes kann der Vermieter bis zum Eintritt der Nutzungsänderung (per 1.7.2018) den Vorsteuerabzug geltend machen. Das Gleiche gilt für werterhaltende wie auch für wertvermehrende Aufwendungen (z.B. Malerarbeiten, Ersatz der Bodenbeläge oder Einbau einer zweiten Toilette).
Auf den vorsteuerbelasteten Betriebskosten und den werterhaltenden Aufwendungen erfolgt bei der Nutzungsänderung keine Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch), da sie als verbraucht gelten. Hat der Vermieter jedoch während des Leerstandes wertvermehrende Aufwendungen (z.B. Einbau einer zweiten Toilette) getätigt, gelten diese als nicht in Gebrauch genommen. Die Vorsteuern auf diesen wertvermehrenden Aufwendungen sind bei der Nutzungsänderung entsprechend vollumfänglich (ohne Verzugszinsen) zu korrigieren (Eigenverbrauch).
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Beträge in CHF
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Vorsteuerkorrektur Eigenverbrauch:
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Geltend gemachte Vorsteuern auf den Anlagekosten
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80'000
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Abschreibungen für die Jahre 2010 (= Jahr der Ingebrauchnahme) bis 2017 (letztes, abgelaufenes Jahr): 8 Jahre à 5 % = 40 %
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- 32'000
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Vorsteuerkorrektur Eigenverbrauch per 1.7.2018
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48'000
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Die Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch) ist unter Ziffer 415 der MWST-Abrechnung zu deklarieren.
Beispiel 7
Optiertes Mietverhältnis folgt auf ein nicht optiertes Mietverhältnis (Nutzungsänderung nach Leerstand)
Das nicht optierte Mietverhältnis für eine Schule auf einer Etage in einem Bürohaus wurde per 30.6.2016 aufgelöst. Der Vermieter will die Räumlichkeiten auch in Zukunft gleich nutzen. Nach einem längeren Leerstand findet der Vermieter zwar keine Schule, aber ein grösseres Steuerberatungsbüro, das diese Räume mieten will, aber aus steuerlichen Gründen darauf besteht, dass der Vermieter für diese Leistung optiert. Per 1.11.2018 kommt die Vermietung mit Option zustande. Somit ergibt sich auf den 1.11.2018 eine Nutzungsänderung (Einlageentsteuerung). Die Vorsteuern für die Räumlichkeiten auf dieser Etage wurden durch den steuerpflichtigen Vermieter bei der Erstellung des Gebäudes im Jahre 2011 nicht geltend gemacht.
Auf den anfallenden Betriebskosten während des Leerstandes kann der Vermieter bis zum Eintritt der Nutzungsänderung (1.11.2018) keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Das Gleiche gilt für werterhaltende Aufwendungen (z.B. Ersatz von Storen oder sanitären Installationen). Auf diesen Vorsteuern erfolgt keine Vorsteuerkorrektur (Einlageentsteuerung), da diese Leistungen als verbraucht gelten. Hat der Vermieter jedoch während des Leerstandes wertvermehrende Aufwendungen getätigt, gelten diese als nicht in Gebrauch genommen. Die Vorsteuern auf diesen wertvermehrenden Aufwendungen sind bei der Nutzungsänderung entsprechend vollumfänglich zu korrigieren (Einlageentsteuerung).
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Beträge in CHF
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Vorsteuerkorrektur Einlageentsteuerung:
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Nicht geltend gemachte Vorsteuern auf den Anlagekosten
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90'000
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Abschreibungen für die Jahre 2011 (= Jahr der Ingebrauchnahme) bis 2017 (letztes, abgelaufenes Jahr): 7 Jahre à 5 % = 35 %
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- 31'500
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Vorsteuerkorrektur Einlageentsteuerung per 1.11.2018
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58'500
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Die Vorsteuerkorrektur in Form einer Einlageentsteuerung ist unter Ziffer 410 der MWST-Abrechnung zu deklarieren. Es sind der MWST-Abrechnung geeignete Aufstellungen über die Berechnung beizulegen.