(Art. 19 Abs. 2 MWSTG)
Die einheitliche Behandlung nach der überwiegenden Leistung bedeutet, dass der massgebende Steuersatz der überwiegenden Leistung auf sämtliche Leistungen der Leistungskombination anzuwenden ist.
Ist beispielsweise die überwiegende Leistung von der Steuer ausgenommen (Art. 21 Abs. 2 MWSTG), gilt die Steuerausnahme für die ganze Leistungskombination, da sämtliche Leistungen im Inland erbracht werden. In diesem Fall besteht kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (Art. 29 Abs. 1 MWSTG), soweit nicht optiert wird (Art. 22 MWSTG).
Die 70/30 %-Regel ist auch dann anwendbar, wenn mehrere mehrwertsteuerlich gleichartige Leistungen zusammengerechnet wertmässig mindestens 70 % des Gesamtentgelts ausmachen.
Eine einheitliche Behandlung ist nicht möglich, falls keine Leistung beziehungsweise keine gleichartigen Leistungen mindestens 70 % vom Gesamtentgelt ausmachen. Die einzelnen Leistungen sind gegenüber dem Leistungsempfänger separat zum anzuwendenden Steuersatz in Rechnung zu stellen und gegenüber der ESTV abzurechnen.
Eine pauschale Fakturierung (Fakturierung zu einem Gesamtentgelt) ist unter folgenden Voraussetzungen dennoch möglich:
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Gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgt in der Rechnung oder in anderen Dokumenten kein Hinweis auf die MWST;
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die Beträge der einzelnen, der ESTV gegenüber separat abzurechnenden Leistungen lassen sich aufgrund geeigneter Aufzeichnungen ermitteln.
In diesem Fall sind die einzelnen selbständigen Leistungen gegenüber der ESTV je für sich abzurechnen. Dies bedeutet, dass die steuerbaren Leistungen zum anwendbaren Steuersatz (Normalsatz, Sondersatz oder reduzierter Steuersatz) zu versteuern, von der Steuer ausgenommene Leistungen beziehungsweise von der Steuer befreite Leistungen hingegen nicht zu versteuern sind. Zu beachten ist, dass der Vorsteuerabzug im Umfang der von der Steuer ausgenommenen Leistungen nicht möglich ist (Art. 29 Abs. 1 MWSTG).

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Werden von der Steuer ausgenommene Leistungen, für welche nicht optiert werden kann (Art. 22 Abs. 2 MWSTG, Ziff. 6.1), mit steuerbaren Leistungen kombiniert, so ist die 70/30 %-Regel nicht anwendbar, falls die steuerbaren Leistungen wertmässig mindestens 70 % ausmachen. Machen hingegen die von der Steuer ausgenommenen Leistungen mindestens 70 % aus, ist die 70/30 %-Regel anwendbar.
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Steuerpflichtige Personen, welche die Steuer mittels Saldo- oder Pauschalsteuersatzmethode abrechnen, beachten bitte die Ausführungen zur Anwendung der 70/30 %-Regel in der MWST-Info Saldosteuersätze.
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Beispiel 1
Die Computer AG bietet öffentlich einen EDV-Kurs an. Im Kursgeld zum Pauschalpreis von 1'850 Franken sind die 5-tägige Schulung, die Lehrbücher zum Kurs, Pausengetränke und 5 Mittagessen enthalten.
Aufgrund der internen Kalkulation setzt sich der Pauschalpreis von 1'850 Franken folgendermassen zusammen:
Normalsatz 7,7 %:
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Verpflegung
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CHF
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350
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Leistungen zu 7,7 %
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CHF
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350
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18,9 %
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von der Steuer ausgenommene Leistungen:
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Schulung bzw. EDV-Kurs (inkl. Lehrbücher)
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CHF
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1'500
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ausgenommene Leistungen
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CHF
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1'500
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81,1 %
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Total EDV-Kurs
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1'850
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100,0 %
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Die 70/30 %-Regel kann angewendet werden, wenn die mehrwertsteuerlich gleichartigen Leistungen wertmässig mindestens 70 % des Gesamtentgelts ausmachen. Vorliegend macht die von der Steuer ausgenommene Schulungsleistung (inkl. Lehrbücher) 81,1 % des Gesamtentgelts aus, weshalb die ganze Leistungskombination als von der Steuer ausgenommen behandelt werden kann. Die Lehrbücher gelten als Nebenleistungen zur Schulung und teilen deshalb deren steuerliches Schicksal (
Ziff. 4.2.3).
Beispiel 2
Die Entspannt-Reisen GmbH bietet ein Kulturwochenende zum Pauschalpreis von 824 Franken an. Das Arrangement beinhaltet die Bahnfahrt von Zürich nach Genf und zurück, den Konzerteintritt sowie eine Übernachtung mit Frühstück in einem Hotel der gehobenen Klasse in Genf.
Aufgrund der internen Aufzeichnungen setzt sich der Pauschalpreis von 824 Franken wie folgt zusammen:
Sondersatz 3,7 %:
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Übernachtung inkl. Frühstück
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CHF
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400
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Leistungen zu 3,7 %
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CHF
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400
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48,6 %
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Normalsatz 7,7 %:
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Bahnfahrt 1. Klasse
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CHF
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264
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Leistungen zu 7,7 %
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CHF
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264
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32,0 %
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Von der Steuer ausgenommene Leistungen:
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Konzerteintritt (nicht optiert)
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CHF
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160
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Ausgenommene Leistungen
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CHF
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160
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19,4 %
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Pauschalpreis Kulturwochenende
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824
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100,0 %
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Da keine der in der Leistungskombination enthaltenen Leistungen wertmässig mindestens 70 % des Gesamtentgelts ausmacht, kann die 70/30 %-Regel nicht angewendet werden. Die Leistungen sind somit einzeln, ihrer mehrwertsteuerlichen Qualifikation entsprechend, abzurechnen (Bahnfahrt zum Normalsatz, Konzerteintritt von der Steuer ausgenommen, Übernachtung inkl. Frühstück zum Sondersatz). Dennoch kann dem Leistungsempfänger ein Pauschalpreis in Rechnung gestellt werden, da kein Hinweis auf die MWST erfolgt und zudem geeignete Aufzeichnungen über die interne Kalkulation vorhanden sind.

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Ausführungen zur branchenspezifischen Anwendung der 70/30 %-Regel mit erläuternden Beispielen finden sich in diversen MWST-Branchen-Infos.
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Änderung des MWSTG per 01.01.2018.